Nachwuchs händeringend gesucht

Kreishandwerkerschaft und Handwerkskammer luden zu Ausbildungsmessen ein

Erstmalig fand am vergangenen Wochenende in der Zentralgewerbeschule Buchen und der Gewerbeschule Mosbach eine Ausbildungsmesse statt, die gemeinsam von der Kreishandwerkerschaft Neckar-Odenwald-Kreis und der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald organisiert wurde.

Michael Windmeißer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, erläuterte im Gespräch mit der Rhein-Neckar-Zeitung, dass man mit dieser Lehrstellenbörse Neuland betreten habe. Der Nachwuchsmangel bei den Fachkräften zwinge die Firmen in die Offensive zu gehen, sich zu präsentieren und sich aktiv um Fachkräfte zu kümmern. In der Vergangenheit hätten Ausbildungsinteressierte eher bei ihrem Wunschbetrieb angeklopft und sich um einen Ausbildungsplatz beworben. Das sei heute viel weniger der Fall.

Als Gründe für den drastischen Nachwuchsmangel im Handwerk führt Windmeißer ein ganzes „Potpourri“ an: die demografische Entwicklung mit weniger Geburten; die geburtenstarke Generation der „Babyboomer“ scheide peu à peu aus dem Arbeitsleben aus, was zur Folge habe, dass der Kuchen einerseits immer kleiner werde und andererseits die Auftragsbücher vieler Handwerksbetriebe nach zwei Jahren Pandemie wieder voller geworden sind. Folglich müsse eine „große Lücke wieder aufgefüllt werden.“

Und noch als ein weiteres heikles Thema spricht der Geschäftsführer unverblümt die Abschaffung der Grundschulpflicht an. Er stelle sich die Frage, ob es fürs Gymnasium und Studium nicht andere Alternativen gebe, wie beispielsweise das Erlernen eines bodenständigen Handwerks. Wenn jemand später, wenn er reifer sei, Interesse an einem weiterführenden Studium habe, sei das natürlich auch gut.

Auf den neuen Präsentationsmodus kamen die Organisatoren auch dadurch, dass die ausprobierte „digitale Lehrstellen-Plattform“ wider Erwarten nicht sehr erfolgreich war. So habe man sich entschlossen zusätzlich zu der Lehrstellenbörse in der Pattberghalle in Neckarelz im Oktober 2022, bei der vermehrt auch Interessenten für das nächste Ausbildungsjahr diese Präsenz-Veranstaltung durchzuführen, die gezielt „niederschwellig“ ohne Anmeldung jetzt schon für dieses Ausbildungsjahr Schüler und Eltern anspricht. Denn es wird davon ausgegangen, dass die Hauptentscheidung für die künftige Berufswahl oft von den Eltern getroffen wird.

Dass der Ausbildungsstandort NOK erhalten bleiben müsse, spreche ebenso für das neue Konzept der Präsenz-Lehrstellenmesse. Zumal die Bemühungen, das Handwerk gegenüber einem Studium zu positionieren, in der Vergangenheit von staatlicher Seite nicht unbedingt unterstützt worden seien. Deshalb müssten die Kontakte auf lokaler Ebene permanent gepflegt werden. Claudia Orth von der Handwerkskammer Mannheim nannte konkrete Zahlen. Im Kammerbezirk seien noch 400 offene Stellen für das kommende Ausbildungsjahr im Angebot, davon 100 im NOK.

Der gestartete Versuchsballon kam bei allen Beteiligten positiv an. Professionell präsentierten sich die gut gestimmten 40 Aussteller mit Roll-ups, Bannern, Aufstellern und Flyern an ihren Ständen den etwa 70 interessierten Schülern und Eltern. Fast alle Handwerksgewerke wie Bäcker, Friseure, Kfz-Mechaniker- und Mechatroniker, Maler, Maurer, Metallbauer, Metzger, Optiker, Tischler und Zimmerer waren vertreten.

Voll des Lobes über das neue „Lehrlings-Werbe-Format“ waren Landrat Dr. Achim Brötel und Mosbachs Wirtschaftsförderer Fabian Weiß, der die Grüße von OB Michael Jann überbrachte. Der gravierende Nachwuchsmangel, so Brötel, sei nicht nur für die Handwerksbetriebe ein Problem. Bewerber fehlten. Händeringend werde nach Nachwuchs gesucht. Viele dicke Bretter müssten da noch gebohrt werden und nichts dürfte unversucht bleiben werden, junge Menschen über diese Berufe zu informieren und dafür zu begeistern.
Weiß sieht im fehlenden Nachwuchs ein „dringendes Problem“. Er verwies darauf, dass sich simultan zum vorgestellten „modernen“ Handwerk in der Gewerbeschule auf dem Kunsthandwerkermarkt in der Mosbacher Altstadt das „alte“ Handwerk seine Leistungsfähigkeit und Können dargeboten habe.

Überlassen wir das letzte Wort „Hausherrn“ Gewerbeschulleiter Andreas Hoffner. Die beiden Gewerbeschulen im Kreis, so seine Kernaussage, unterstützten gerne das Handwerk, wo immer es gehe, bei ihrer Nachwuchssuche. Was vielleicht einiges erkläre, sei der Umstand, dass, als er vor zehn Jahren die Leitung der Schule übernahm, 1.200 Schüler unterrichtet wurden. Heute sind es gerade Mal 900.

Bei der Ausbildungsmesse in der Gewerbeschule Mosbach: Andreas Hoffner (3. v. lks), Dr. Achim Brötel (4. v. lks), Fabian Weiß (8. v. lks.), Claudia Orth, Michael Windmeißer und Kreishandwerksmeister Jochen Baumgärtner (vorne von rechts).

Zurück